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Opfern eine Stimme geben

Schüler des Gymnasiums Carolinum beschäftigen sich in einer szenischen Lesung mit Opfern der NS-Euthanasie.

Von Susanne SChlaikier

Otto Lange, Marie Anna Grünewald, Johannes Frederik Meijer, Irma Eckler: Vier Namen. Vier Schicksale, die eng mit Bernburgs Geschichte verbunden sind. Denn sie alle kamen während des Nationalsozialismus’ in der „Euthanasie“-Anstalt zu Tode. Das allerdings haben ihre Angehörigen erst sehr viel später herausgefunden. Sie wurden getötet, weil sie psychisch krank waren, weil sie wegen ihrer politischen Haltung inhaftiert und weil sie jüdisch waren.

Vier Schicksale - stellvertretend für die 14.000 Opfer, die in Bernburg getötet wurden. Aber auch stellvertretend für deren Angehörige, die oft lange Zeit nicht wussten, wann und wo ihre Familienmitglieder ums Leben kamen. Schüler des Bernburger Gymnasiums Carolinum haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit den Biografien dieser vier Menschen beschäftigt, haben sich originale Dokumente und Fotos angeschaut und eigene Texte dazu geschrieben.

Vorgestellt haben sie diese in Form einer szenischen Lesung am 27. Januar, dem bundesweiten Holocaust-Gedenktag, in der Bernburger Gedenkstätte für NS-„Euthanasie“. Musikalisch umrahmt mit Stücken von Komponisten aus der damaligen Zeit. Ihre Lehrerin Jana Beyer, die ihnen stets auch beratend zur Seite stand, hatte sie schon vor Monaten gefragt, ob sie Interesse hätten, mitzumachen. Alles freiwillig und außerhalb des Unterrichts.

Das erste Treffen habe bereits vor den Sommerferien stattgefunden, berichten die Schüler. Anfang des neuen Schuljahres hätten sie dann begonnen, die Texte zu schreiben. Sie erzählen darin in der Ich-Form die Biografien der Opfer. „Wir wollten ihnen eine Stimme geben“, erläutert Klara Stolze. Es habe aber auch Überwindung gekostet, sich so intensiv mit den einzelnen Personen zu beschäftigen. „Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, dass so etwas hier direkt vor Ort in Bernburg passiert ist.“

Wenn man die Namen lese und wie die Menschen zu Tode gekommen sind, sei das bedrückend, sagt Zoe Altaner. „Dabei wird einem viel bewusster, wie die Zeit damals war.“ Besonders berührend sei aber nicht nur das Schicksal jedes einzelnen gewesen. Sondern auch die Tatsache, dass die Angehörigen zum Teil jahrzehntelang nicht wussten, was mit ihren Liebsten passiert ist. Denn oft wurden andere Todesursachen und -orte angegeben und der Todestag verfälscht. Viele seien zum Teil erst viel später zufällig darauf gestoßen. Andere haben gezielt recherchiert, weiß Talea Thunack. „Gerade in der heutigen Zeit finde ich es wichtig, ein Zeichen zu setzen“, sagt Zoe Altaner. Aber auch generell sei es wichtig, jedes Jahr auf die Verbrechen von damals hinzuweisen, „dass sich so etwas nicht wiederholen darf“. Für Klara Stolze ist es wichtiger Teil der Erinnerungskultur. Die 18-Jährige ist froh, dass sie die Chance hatte, bei diesem Projekt mitzumachen. Dabei durften die Schüler zwar weitestgehend eigenständig arbeiten, wurden aber auch sehr gut von ihrer Lehrerin Jana Beyer unterstützt. Überhaupt, findet Klara, sei es wichtig gewesen, dass sie das Thema gemeinschaftlich behandelt haben.

Nach der berührenden Lesung wurde an der Grabstelle vor dem Gebäude ein Kranz niedergelegt.