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AfD-naher Pfarrer steigt auf

Die Kirche hat ihm den Posten entzogen, im Stadtrat von Quedlinburg erzielt der Theologe Martin Michaelis jetzt einen Erfolg – mit geheimen Stimmen von anderen Parteien.

Von Hagen Eichler

Der AfD-nahe evangelische Pfarrer Martin Michaelis (parteilos) ist vom Stadtrat Quedlinburg zum ersten stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden gewählt worden. Möglich wurde das durch Stimmen von Stadträten, die nicht der AfD angehören: Während die Rechtsaußenfraktion lediglich acht Mitglieder hat, kam Michaelis auf 23 Stimmen. Insgesamt hat der Rat 37 Mitglieder.

Wegen seiner Kandidatur auf der AfD-Liste hat die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) dem umstrittenen Theologen den Pfarrbereich entzogen und ein Disziplinarverfahren eingeleitet – ein bislang einmaliger Vorgang. Zur Begründung hieß es, die AfD sei in Sachsen-Anhalt als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft. Mit seiner Kandidatur erwecke Michaelis den falschen Eindruck, der Einsatz gegen die Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat sei „vereinbar mit christlicher Theologie und Haltung“.

CDU forderte geheime Wahl

Auf Antrag des CDU-Stadtrats und -Landtagsabgeordneten Ulrich Thomas erfolgte die Abstimmung über die Kandidatur von Michaelis geheim. Wie er selbst votiert hat, ließ Thomas offen. Er deutete aber an, dass er das Ergebnis begrüßt. „Ich kenne eine Menge im Stadtrat, die es respektiert haben, dass die zweitstärkste Fraktion den stellvertretenden Vorsitzenden erhält“, sagte er der MZ.

Der CDU-Politiker hatte 2019 bundesweit Schlagzeilen gemacht, als er seine Partei dazu aufrief, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“. Dazu seien Koalitionen mit der AfD denkbar, sagte er damals. Jetzt betonte er, im Stadtrat von Quedlinburg habe es keine Absprachen mit der AfD gegeben. Zudem sei Michaelis zwar von der AfD nominiert, aber nicht deren Mitglied. „Wir als Stadtrat haben einen Pfarrer gewählt, der mir nie negativ aufgefallen ist und der sich ordentlich vorgestellt hat. So, wie ich ihn erlebt habe, gab es keinen Grund, ihn nicht zu wählen.“

Harsche Kritik an der Wahl kommt aus der SPD. Die CDU in Quedlinburg reiße die Brandmauer zur AfD ein, kritisierte die SPD-Landesführung. „Dass eine CDU-Stadtratsfraktion mit einem Landtagsabgeordneten in ihren Reihen den Schulterschluss mit der AfD sucht, muss Konsequenzen haben“, sagte SPD-Chef Andreas Schmidt. „Eine Zusammenarbeit mit extremistischen Parteien und Gruppierungen darf es nicht geben.“ Dafür müsse CDU-Landeschef Sven Schulze jetzt sorgen.

SPD, Linke und Grüne hatten einen gemeinsamen Kandidaten gegen Michaelis ins Rennen geschickt, dieser war allerdings unterlegen. SPD-Landeschef Schmidt und seine Co-Vorsitzende Juliane Kleemann rügten, dass die CDU nicht einen gemeinsamen Kandidaten „mit den weiteren demokratischen Parteien“ gesucht habe. Der Quedlinburger CDU-Politiker Thomas kontert: SPD, Linke und Grüne seien die Verlierer der jüngsten Kommunalwahl, die Wahl eines Kandidaten aus diesem Lager zum ersten stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden wäre angesichts dessen nicht passend. „Ansonsten empfehle ich der Landes-SPD, nicht in die Stadt Quedlinburg hineinzumoralisieren“, sagte Thomas.

Derzeit mit Predigt-Verbot

Michaelis hatte seine Kandidatur für die AfD damit begründet, er wolle sich für den Denkmalschutz einsetzen und habe zu den AfD-Vertretern ein gutes Verhältnis. Er schätze die Partei auch nicht als rechtsextremistisch ein. Michaelis hatte sich während der Corona-Pandemie von der Kirche entfremdet und war auch bei Veranstaltungen von Rechtsextremisten aufgetreten, etwa mit dem Chefredakteur des „Compact“-Magazins, Jürgen Elsässer.

Kirchenrechtlich ist Michaelis weiterhin Pfarrer und wird als solcher bezahlt. Durch das im April eingeleitete Disziplinarverfahren darf der 63-Jährige aber weder öffentlich predigen noch taufen oder das Abendmahl austeilen. Wann das Verfahren abgeschlossen ist, ist offen.