Die Bauern schlagen Alarm
Bei den bundesweit angelaufenen Protesten sind zahlreich Landwirte aus dem Altkreis Bitterfeld dabei. Sie fahren nach Halle und haben noch sehr viel mehr Aktionen vor.
Von Sylvia Czajka, frank Czerwonn, Robert Martin und Ulf Rostalsky
Grosszöberitz/Halle/MZ. „Politik mit Weitblick? Fehlanzeige!“ Das finden Ulf Gehrmann und seine Kollegen von den Agrargenossenschaften Großzöberitz und Zörbig. Verlässlichkeit ist das, was die Bauern fordern. Dafür haben sie sich am Montag eingereiht in eine große Zahl an Landwirten und mit denen sympathisierenden Unternehmer. Sie rollten mit in einer langen Reihe von Traktoren nach Halle, um zu protestieren.
„Es ist ein Anfang“, bestätigt Thomas Külz, Chef der Agrargenossenschaft Löberitz und Vorsitzender des Bauernverbandes Anhalt. So hatte es im Altkreis Bitterfeld am Montag anders als zum Beispiel in Sachsen keine Blockaden der Bundesautobahn 9 gegeben. Die Auffahrten Halle, Bitterfeld-Wolfen, Thurland und Dessau-Süd konnten genutzt werden. „Dort werden wir am Mittwoch aktiv sein und blockieren“, bestätigt Külz und kündigt für den heutigen Dienstag eine weitere Aktion an.
Weitere Aktionen in Sicht
Aus Protest gegen die Haushaltspolitik der Bundesregierung und den drohenden Wegfall von Bauern entlastenden Maßnahmen sollen Mahnfeuer brennen. Die Landwirte Karl-Heinz Boldt, Frank Retzer und Andreas Schiel sind für die Aktionen entlang der L 143 zwischen Spören und Quetzdölsdorf, zwischen Roitzsch und Brehna im Sichtbereich der B 100 und an der B 183 bei Zörbig gegenüber dem Autokontor Bayern verantwortlich.
Inwieweit diese Aktionen zu größeren Behinderungen führen, ist offen. Die Vetter Verkehrsbetriebe mit Sitz in Salzfurtkapelle haben sich auf die Auswirkungen der jetzt angelaufenen Protestaktionen eingestellt. Wie Fabian Watzke, kaufmännischer Leiter bei Vetter, mitteilte, konnten bis Montagnachmittag alle Fahrten abgedeckt werden. „Bei uns fährt alles. Der Fokus liegt natürlich auf dem Schülerverkehr.“ Auffallend sei laut Watzke, dass „spürbar weniger“ Schüler am Montag den Busverkehr genutzt hätten. „Da haben offensichtlich viele Eltern entschieden, ihre Kinder für den Tag abzumelden“, vermutet er.
Davon abgesehen wurden vor allem die Fahrten in und um Halle umgeleitet. „Die Stadt wird so gut es geht vermieden“, so Watzke. Generell seien die Einschränkungen durch die Protestaktionen aber weniger intensiv als erwartet.
In Halle selbst machten Bauern wie Ulf Gehrmann ihrem Ärger Luft. Ihnen geht es um sichere Rahmenbedingungen für eine ganze Branche. „Das Geld im ländlichen Raum wird weniger“, darauf macht Gehrmann aufmerksam. „Für das eigene Volk bleibt nicht mehr viel übrig.“ So könne es nicht weitergehen. Deshalb ging es am Montag nicht auf das Feld, aber auf den Traktor, um sich in Halle der Protestaktion anzuschließen.
Doch nicht nur die Bauern haben sich dem Protest angeschlossen und waren in Halle vor Ort. Die rote Autokolonne der Firma Hennig Sicherheitstechnik war unübersehbar. Mit zwölf Fahrzeugen waren Inhaber Andreas Hennig und mehr als 20 Mitarbeiter angerückt. „Wir sind schon seit der Corona-Zeit aktiv, wollen aufklären und was bewegen“, sagt Hennig. Er betont, dass der Mittelstand das tragende Element für den Wohlstand im Land sei und verweist auf die Folgen der Ampelpolitik: „Die Aufträge in der Bauwirtschaft sind um zirka 30 Prozent zurückgegangen. Wenn Planungsbüros weniger Aufträge haben, bekommen die Baufirmen in der Folge weniger zu bauen und danach spüren auch wir die Auswirkungen.“ Hennig sagt, es gehe um die Zukunft. „Wir stellen jetzt die Weichen für unsere Kinder.“
Auch Thomas Kaiser hatte sich mit drei Kollegen in Bitterfeld auf den Weg gemacht. Der Bauwerksabdichter von der Firma TBT Mauerwerkstrockenlegung sagt: „Alles wird teurer – für die Firma ebenso wie für uns privat. Wenn man auf der Couch liegen bleibt, ändert sich jedenfalls nichts“, ist Kaiser überzeugt, der solch eine Großaktion nie zuvor erlebt hat.
Unterstützung durch viele
Seit 18 Jahren ist Jonny Kohn mit seiner Kommunikationsbau-Firma aus Roitzsch am Markt. Er verweist auf die erhöhte CO2–Abgabe, die Sprit- und Dieselverteuerung, steigende Lebensmittelpreise. Mit Mitarbeitern des Landguts Dobler ist er nach Halle gefahren. „Die Ampel muss weg“, steht am Firmen-Lkw. „Die Proteste sind notwendig, damit die Regierenden die Lage begreifen“, meint Kohn.
Ähnlich sieht man das auch beim Bagger- und Baustofftransport-Unternehmen Herker aus Muldestausee und der Heizungs- und Sanitärfirma Lorenz, die ebenfalls beim Protest dabei sind.