_FONTLOADER_

Südwestlicher geht’s nicht

Naumburg kommt mit Kleinheringen an die Grenze, die zu Thüringen nämlich. Was das Dorf auszeichnet und welche Änderungen es bald gibt, wird bei einem Rundgang deutlich.

Von Michael Heise

Christel Meißner muss an diesem Tag viele Hände schütteln. Die 98-Jährige hat es sich vor ihrem Haus in Kleinheringen gemütlich gemacht und schaut auf den Pulk, der da langsam auf sie zukommt und stehen bleibt. Es sind die Dorf-Spaziergänger um Naumburgs Oberbürgermeister – Räte und interessierte Bürger, viele Einheimische selbstverständlich –, die diesmal den südwestlichsten Ortsteil der Stadt durchlaufen, um zu erfahren beziehungsweise kundzutun, wie es sich im Dorf so lebt und welche Probleme es gibt. Christel Meißner freut sich über so viel Auftrieb. „Im Dezember werde ich 99, und die 100 schaffe ich auch noch“, sagt sie, worauf OB Armin Müller (CDU) händeschüttelnd entgegnet, dann kämen alle hier zur großen Feier. Meißner lacht. Die rüstige Dame war erste und langjährige Bürgermeisterin des Ortes. Wie lange? „Ach, das weiß ich nicht, bestimmt 40 bis 50 Jahre. Das waren Zeiten.“

Schilder wirkungslos

Nun, einen Ortsbürgermeister hat Kleinheringen mit Holger Fritzsche (BBK) auch heute, doch ist der Bad Kösener und damit doch ein bisschen weit weg. Erster Ansprechpartner im Ort ist insofern Sven Herold, Vorsitzender des Dorfgemeinschaftsvereins. Und er führt zum Rundgang nicht nur durchs Dorf, sondern hat auch gleich ein gewichtiges Thema parat: Das Verkehrsaufkommen, das es eigentlich nicht geben dürfte, denn Kleinheringen ist gewisserweise ein Sackgassendorf. „Doch die Verbindung nach Kaatschen und zum dortigen Weingut Zahn, die nur für landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben ist, wird wie eine normale befahren. Da nützen auch Sackgassenschilder und hin und wieder einige Kontrollen nichts“, schildert Herold.

Doch Felix Theilemann, zuständiger Sachgebietsleiter bei der Stadt, hat gute Nachrichten in petto, die zwar die Durchfahrt nicht verhindern, aber vielleicht besser steuern. „Wir werden Schilder am Ortseingang nicht nur versetzen, sondern auch ergänzen um den Hinweis, dass eine Durchfahrt nach Kaatschen nicht möglich ist“, so Theilemann. Und nicht nur das. „Das Dorf richten wir komplett als 30er-Zone ein. Das wird der Situation auch wegen der vielen Radfahrer gerecht“, meint der Sachgebietsleiter. Die Veränderungen sollen in der ersten Jahreshälfte umgesetzt werden, so Theilemann später gegenüber Tageblatt/MZ.

Kleinheringen ist mit 70 Einwohnern eines der kleinsten Dörfer im Stadtgebiet, dafür aber vergleichsweise jung. Nur 18 Einwohner sind älter als 66, zwei kleine Kleinheringer sind unter sieben Jahre alt. Und, was für manchen zählt, „wir sind die ersten – hinter der Landesgrenze“. Mit dem Selbstbewusstsein haut es also auch hin, insbesondere, wenn man auf die Dorfgemeinschaft schaut, die nach eigenem Bekunden eine starke und zusammenhaltende ist. Aushängeschild dafür ist das 2018 errichtete Vereinshaus in Richtung Kaatschen, eine hübsche und gepflegte Blockhütte, wo am Ende des Rundgangs auch zu Speis und Trank eingeladen wird – samt Hauswein, den Familie Donndorf anbaut und der von Winzer Wolfram Proppe im Gleistal bei Jena ausgebaut wird. Als Landwein kommt er ins Glas: ein frühlingshafter Dornfelder in Zartrosa. Hinzugesellen dürfte sich bald ein Solaris, denn der wächst unmittelbar am Vereinshaus, braucht aber noch ein bisschen. Knapp 100 Stöcke stehen hier am Hang.

Auf Ordnung wird im Dorf mit Selbstverständlichkeit geachtet, immerhin geben sich im Hotel „Sonnekalb“ Gäste von überall her die Klinke in die Hand. Inhaber Steffen Sonnekalb spricht von einer überaus erfreulichen Entwicklung, millionenschweren Investitionen, möglich geworden unter anderem durch EU-Fördermittel. 15 Zimmer plus 20 Plätze im Stroh zählt man heute.

Ein großes Jubiläum


Apropos Tourismus: Auch Nico Schimming setzt auf ihn, hat in einem von Grund auf sanierten Gebäude in der Ortsmitte mit dem schönen Namen „Casa Nr. 7“ zwei Ferienwohnungen eingerichtet, für zwei beziehungsweise acht Personen. Seit zwei Jahren werden sie vermietet – und vorzugsweise an den Wochenenden gut angenommen. Zugpferd für viele Gäste, so Schimming, sei das nach wenigen Minuten zu Fuß erreichte Weindorf Kaatschen.

Zwei Eigenheiten weist Kleinheringen auf. Erstens: Der Spielplatz befindet sich auf Friedhofsgelände, allerdings grenzt eine Hecke Leben und Tod voneinander ab. Und da das Areal wirklich groß ist, findet hier auch bald eine Tischtennisplatte Platz. OB Müller verkündete die sich abzeichnende 2.000-Euro-Neuanschaffung – das Geld könnte von der Waisenversorgungsanstalt kommen. Zweitens: Die kleine, aber feine Kirche – von ihr ist nach Beschüssen Ende des Krieges und dem Sich-Selbst-Überlassen in der DDR-Zeit mit fast kompletten Abriss 1970 ein kleiner Raum übriggeblieben –, besteht am 20. April exakt 300 Jahre. Das zieht unweigerlich ein kleines Heimatfest mit Gottesdienst und Geselligkeit nach sich.

Ein Rundgang durch Kleinheringen: Lohnenswert – und viel besser als Durchfahren.