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Immer dem Kammerchor nach

Wenn Naumburgs 2024er-Theaterspaziergang diesen Freitag im Dom Premiere hat, wandeln die Gäste sowohl mit Schauspielern als auch mit Sängern „Auf den Spuren von Jesus Christus“.

Von Jana Kainz

„Die vier Chorstücke sitzen, jetzt müssen wir nur noch Laufen lernen“, sagt Roswitha Leich vom Naumburger Kammerchor. Genau dafür kommen die 30 Sängerinnen und Sänger derzeit allabendlich im Dom zusammen, wobei durchaus nicht das Setzen eines Fußes vor den anderen trainiert werden muss. Es geht vielmehr darum, sich die Wege einzuprägen, die der Kammerchor während des diesjährigen Naumburger Theaterspazierganges zu gehen hat, und zu üben, während des Gehens zu singen. „Das“, so Roswitha Leich, „fällt nicht allen leicht.“ Doch wo ein Wille ist …

Und der Kammerchor wollte neben seinem festen Auftrittsprogramm längst mal wieder etwas Besonderes auf die Beine stellen – spätestens seit er im Sommer 2019 an dem Musiktheaterprojekt „Susanna“ des Theater Naumburg mitgewirkt hat. Damals sei der Chor anfangs recht skeptisch gewesen. „Doch dann waren wir von den Chören, die wir singen durften, so begeistert, dass alle sagten: ’So etwas könnten wir noch mal machen“, so Roswitha Leich. Freitag ist es nun soweit: Da hat der Kammerchor an der Seite der vier Schauspieler des Theater Naumburg mit „Auf den Spuren von Jesus Christus“ Premiere.

„Der Theaterspaziergang gleicht einer Wandelprozession, und uns fällt die Aufgabe zu, die Gäste zu den Ortswechseln zu animieren“, erklärt Domkantor KMD Jan-Martin Drafehn, der seit Herbst fast jeden Sonntagabend mit dem Kammerchor die vier Stücke für das Gemeinschaftsprojekt einstudiert. Ausgewählt hatte das Gros Theaterintendant Stefan Neugebauer, der den Spaziergang geschrieben hat und inszeniert. „Ich“, so Drafehn, „habe geschaut, ob für uns die Stücke machbar sind und ob alle trotz der reduzierten Besetzung klingen.“ Denn während der 30-köpfige Kammerchor zur Premiere komplett zu erleben ist, teilt er sich für die folgenden elf Vorstellungen in zwei Besetzungen auf. Anders wäre es terminlich für die Laien kaum zu stemmen.

Die damit jeweils kleinere Besetzung stellt die Sängerinnen und Sänger wiederum vor eine große Herausforderung – besonders für das Stück „Agnus Dei“, das Samuel Barber ursprünglich als reines Instrumentalstück für Streicher komponiert hat. „Man kennt es aus verschiedensten Bezügen von Filmmusik bis Werbung. Es ist sehr anspruchsvoll, da es in die Vielstimmigkeit geht“, erklärt Drafehn. In dem Stück werde jede Singstimme geteilt. Das führe den Chor angesichts der kleinen Besetzung in Grenzbereiche. „Zudem war es ja ursprünglich ein Stück nur für Streichinstrumente, und da werden die langen Notenwerte als Begleitung schön lang gestrichen – die müssen dabei ja auch nicht atmen“, so der Domkantor augenzwinkernd. Stefan Neugebauer habe ihm aber signalisiert, dass ihm dieses Stück sehr wichtig ist. So legte sich der Chor einmal mehr ins Zeug.

Drafehn brachte indes das stimmungsvolle Stück „Non moriar“ von Ludwig Senfl ins Spiel und damit eine regionale Komponente. Nachgewiesen sei nämlich, dass dieses Stück 1542 im Naumburger Dom zur Inthronisierung des einzigen evangelischen Bischofs, Nikolaus von Amsdorf, gesungen wurde – auf Geheiß Martin Luthers, der einst zugegen war. Singen wird der Kammerchor das Stück nun in der Krypta, wo jene Szene gespielt wird, in der eine Art Gericht abgehalten wird. Das passe perfekt, so Drafehn, denn das Stück folgt einem strengen Kompositionsstil. „Die Musik entwickelt sich aus Regeln heraus. Und eine Rechtssprechung basiert ja auch auf Regeln“. Singt der Chor zwar nicht als Auftakt zum Theaterspaziergang, so aber doch als erstes Stück an dem Abend Ola Gjeilos meditatives, klangvolles Stück ’Ubi caritas’, setzt er jedoch musikalisch den Schlusspunkt mit John Rutters „Öffne mir die Augen“. Die zeitgenössische Komposition sei, laut Drafehn, etwas für die Seele und sehr erhaben.

Während die Gemeinschaftsproben mit den Schauspielern laufen, resümiert der Domkantor bereits für seinen Chor: „In jedem Fall ist der Theaterspaziergang für uns ein weiteres schönes Projekt. Schauen wir mal, ob sich in der Zukunft ein nächstes größeres Projekt entwickelt – vielleicht, mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf, für Naumburgs 1.000-Jahrfeier.“ Das Potenzial jedenfalls ist da.